Thema: Digital Health
Mareike Donath:
Liebe Hörerinnen und Hörer,
Vielen Dank, dass sie sich heute wieder die Zeit für den Podcast vom „Digitalen MV“ nehmen.
Die Digitalisierung bietet für Mecklenburg-Vorpommern große Chancen. Auch für das Gesundheitswesen. Mit Hilfe moderner Technologien und innovativer Ideen können Behandlung und Pflege spürbar verbessert werden. In MV arbeiten Experten aus Kliniken, Forschungseinrichtungen, Gesundheitskassen und aus der Privatwirtschaft seit Jahren daran, Prozesse zu digitalisieren und damit einfacher, effizienter und kostensparender zu gestalten. Zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
Mein Name ist Mareike Donath und ich bin die Leiterin der Stabsstelle für Digitalisierung und Internationales im Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern.
Im folgenden Podcast-Feature berichten drei Experten aus der Gesundheitsbranche des Landes von ihren Erfahrungen und stellen ihre digitalen Ideen und Projekte vor.
Die Corona Pandemie hat im vergangenen Jahr offengelegt, welche Herausforderungen und Chancen die Digitalisierung mit sich bringt. Manon Austenat-Wied, die Leiterin der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse in MV, spürte in dieser Zeit (in ihrem Umfeld) Zusammenhalt und Aufbruchsstimmung.
Manon Austenat-Wied:
Wir haben in der Zeit gemerkt, dass wir wie ein Räderwerk funktionieren. Wir haben ganz viel umgestellt - arbeiten im Home Office, das Ausstatten mit Geräten, denn es sind viele technische Voraussetzungen nötig. Es ist auch ein Zusammenhalt im Team möglich, den man nicht von null auf hundert aufbauen kann. Belastbare Strukturen haben sich tatsächlich etabliert und wir haben gesehen, dass wir ohne viel Redundanzen mit viel Verständnis und Achtsamkeit über die Distanz gut arbeiten können. Ein ganz wichtiges Projekt für uns, was sich dann in der Funktionalität nach draußen zeigte, war die Übernahme der Rettungsschirme für Reha Kliniken und Mutter-Kind-Einrichtungen. Jeder der weiß, wie das mit Corona Hilfen laufen kann, atmet hier im Nachhinein einmal durch, dass es so gut geklappt hat. Wir haben mit den Ministerien hervorragend zusammengearbeitet - mit dem Gesundheitsministerium, als es um die Corona Hilfen für Reha Einrichtungen ging. Da sind momentan 25 Millionen Euro für Mecklenburg-Vorpommern ausgezahlt worden. Es lief sofort online, innerhalb von zwei Tagen nach Antragstellung hatten die Reha Kliniken ihr Geld. Ähnlich toll lief das mit Frau Drese, obwohl es ein viel komplexerer Sachverhalt war, mit dem Sozialministerium die Hilfen für Pflegeeinrichtungen und Pflegegelder auszuzahlen. Hierfür gab es ebenfalls keine Blaupause und noch eine Reihe von Fragestellungen, aber wir haben so kooperativ und mit viel Freude gemeinsam daran gearbeitet. Wir freuen uns noch jetzt darüber und es sind dadurch sehr belastbare Partnerschaften entstanden. Sowohl mit den Kollegen vom Sozialministerium als auch bei uns haben wir alles auf kurzen Wegen hinbekommen. Was noch viel wichtiger ist - alle, die in der Pflege beschäftigt waren, haben ihr Geld bekommen und das sehr zügig.
Mareike Donath:
Die Vorbehalte, die es vor Ausbruch der Pandemie in Bezug auf Digitalisierung im Gesundheitswesen gab, haben sich, aus Sicht der Chefin der Techniker Krankenkasse Mecklenburg-Vorpommern, nicht bewahrheitet. Im Gegenteil.
Manon Austenat-Wied:
Die ganzen Diskussionen, die wir vorher geführt haben: “Wie funktioniert Digitalisierung? Wie funktionieren digitale Prozesse, Datentransparenz oder Datensicherheit”? Ich glaube an solchen Beispielen sieht man, wie einfach das Leben doch sein kann, wenn man ein bisschen neue Technologie zulässt und offen einem Prozess stellt. So sieht der Prozess analog aus und wenn wir ihn neu denken, können wir ihn mehr mit einbeziehen, haben eine größere Reichweite und es entfällt eine ganze Menge an Zettelwirtschaft. Es handelt sich um eine wesentliche Erkenntnis aus der ganzen Corona Zeit. Wenn wir vor anderthalb Jahren mit Ärzten darüber gesprochen haben - “Was ist die elektronische Gesundheitsakte? Was ist unsere TK App?” - dann war da immer große Zurückhaltung, auch bei dem digitalen Innovationsfondsprojekt. Einerseits sind alle begeistert, wenn sie nach Estland schauen, finden es alle toll, aber wenn es an der eigenen Haustür klopft und man sich diesen neuen Prozessen stellen sollte, dann hatten wir doch Vorbehalte. Und das hat sich im letzten Jahr ziemlich erledigt. Nehmen wir einmal das Thema Videosprechstunde in MV, dann war ein Gedanke mit wenig Akzeptanz. In 2020 ist Mecklenburg-Vorpommern wirklich durchgestartet. Wir hatten bereits 500 Sprechstunden per Video im ersten Quartal, im zweiten Quartal waren es über 1.000 Videosprechstunden in MV. Nun gehören wir ja, bezogen auf Arzt- und Patientendichte, nicht zu den führenden Bundesländern, aber wir führen bundesweit bei der Akzeptanz von Sprechstunden per Video. Ich finde, es ist ein toller Erfolg.
Mareike Donath:
Eine Vorreiterrolle nimmt Mecklenburg-Vorpommern auch bei der Entwicklung von digitalen Lösungen im Bereich Klinik ein. Toralf Schnell ist Chief Digital Officer (Leiter der Stabsstelle Digitalisierung), kurz CDO, an der Universitätsmedizin Greifswald und damit für die Planung und Steuerung der digitalen Transformation im Unternehmen verantwortlich. Der Gesundheits-Experte entwickelte für die Uniklinik eine Navigations-App, mit der sich Patienten, Besucher und Mitarbeiter auf dem weitläufigen Gelände noch schneller zurechtfinden können.
Toralf Schnell:
Die Idee ist eigentlich daraus entstanden, noch bevor ich hier angefangen habe, dass ich mich über die UMG (Universitätsmedizin Greifswald), mögliche Aufgaben und Herausforderungen. Dabei bin ich über einen Artikel in der Ostsee-Zeitung gestolpert, in dem es darum ging: “Wie behindertenfreundlich ist Greifswald”? In diesem Artikel gab es einen Abschnitt dazu, wie sich Sehbehinderte am Universitätsklinikum Greifswald orientieren und zurechtfinden können. Das empfanden die Vertreter des Sehbehinderten Vereins als nicht optimal. Das war für mich ein Punkt zu sagen, das wäre doch ein spannendes Projekt, eine spannende Aufgabe, das zu verbessern. Wir haben dann im vergangenen Jahr 2020 das Projekt umsetzen können. Das Pilotprojekt konnte im Oktober letzten Jahres getestet werden. Es war super spannend. Angekommen sind sie natürlich mit Begleitung, z.B. mit Blindenhund, die sie aber am Eingang abgegeben haben. Dort haben sie von uns das mobile Gerät erhalten und sind damit durch das ganze Haus bis zur Anmeldung bei der Augenheilkunde gelaufen. Da haben wir natürlich während dieser Testphase ganz viel Feedback bekommen, was wir noch verbessern können, wo wir auf dem Flur noch engmaschiger werden müssen, damit man nicht an eine Säule oder in den Kiosk gerät, der auf dem Gang befindet. Das sind alles Dinge, die wir dabei noch einmal gelernt haben. Wir haben es so konzipiert, dass Navigation in eine Website integriert ist, ähnlich wie Google Maps. Man kann sich einfach entsprechend seine Station/Zimmer aussuchen, wo man hin möchte, egal ob als Besucher, für die Anmeldung oder bei einem Termin in der Ambulanz. Es wird ganz simpel das Ziel eingegeben und man wird direkt dorthin geführt. Aktuell haben wir die IOS und Android Anbindung im Freigabeprozess im Apple- sowie Google Play-Store. Wir erwarten, dass die App für Apple und Android noch diesen Monat verfügbar sein wird und man von zu Hause bis zur Station oder dem Zimmer, wo Angehörige untergebracht sind, navigiert wird und das sehbehinderten- und behindertengerecht.
Mareike Donath:
Katja Enderlein setzt sich für eine bessere Gesundheitsversorgung von älteren und pflegebedürftigen Menschen ein. Die Geschäftsführerin der MEDIGREIF Parkklinik Greifswald engagiert sich u.A. im Verein “ILWIA e.V.” - ein Leuchtturmprojekt für Leben und Wohnen im Alter.
Katja Enderlein:
Das ist der “ILWIA Verein”, die Initiative für Leben und Wohnen im Alter, wo wir uns im Kreise von vielen Leistungserbringern aus unterschiedlichen Sparten zusammengefunden haben um nach Lösungen zu suchen, die es uns möglich gemacht haben, die nicht immer einfache Aufgabe der medizinischen, pflegerischen und hilfsmitteltechnischen Versorgung, gerade der älteren Menschen, in Angriff zu nehmen. Und smarte Lösungen an den Start zu bringen, was eine besondere Herausforderung darstellte und auch immer noch darstellt. Es handelt sich dabei um eine Altersgruppe, die nicht unbedingt so technikaffin aufgewachsen ist, es jetzt im Alter doch irgendwie wird. Diesen Prozess zu begleiten, Ideen aufzunehmen, Projekte auf den Weg zu bringen, all das hat uns im “ILWIA” vereint und hat mich natürlich auch aus meiner Arbeitswelt heraus getriggert. Ich habe hier in Greifswald eine Reha Einrichtung für hochaltrige Personen, habe hier über viele Jahre erleben können wie schwer es ist, in ein häusliches Umfeld zurückzugehen, in dem einfache technische oder smarte Lösungen nicht vorhanden sind, die es bei Vorhandensein möglich machen würden, im häuslichen Umfeld zu bleiben und das eigene soziale Netzwerk nicht zu verlassen oder es im besten Fall noch auszubauen.
Mareike Donath:
“ILWIA e.V.” hilft auf ganz vielfältige Weise und vor allem dann, wenn die Rückführung ins häusliche Umfeld nach Beendigung der Reha nicht reibungslos möglich ist. Dazu noch einmal die Gesundheitsexpertin Katja Enderlein.
Katja Enderlein:
Dort hat sich für mich seit vielen Jahren eine große Schere aufgetan, weil wir feststellen mussten, dass ein Teil unserer Patienten häufig im klassischen Plattenbau beheimatet ist, das war ja Standard Wohnbereich, auch zu DDR Zeiten. Dort scheitern wir oft an einfachen, baulichen Strukturen, mal ganz abgesehen von smarten Lösungen, die dort auch nicht existent sind. Dann hat sich der Zufall etwas eingemischt, dass sich die kommunale Beratungsstelle uns eine Plattform des Dialogs geboten hat und wir mit unserem Unternehmensverbund gleichzeitig die Möglichkeit hatten, einen klassischen WBS 70 Block in unsere Obhut zu nehmen und ihn für eine Zielrichtung umzubauen. Wir möchten, dass in diesem Gebäude Menschen leben die nicht gezwungen sind, aufgrund eines fortschreitenden Alters und sich einstellenden Handicaps ihr geliebtes Umfeld wieder zu verlassen. Bei unserer Konzeptidee ging es in erster Linie nicht um klassisches betreutes Wohnen zu erreichten, bei dem man vielleicht schon ein gewisses Alter und vielleicht auch schon eine bestimmte Form der Immobilität erreicht hat, sondern das man dort wohnen und alt werden kann, wo man sich wohlfühlt. Mit dieser Zielsetzung sind wir herangegangen und haben dann die Möglichkeit genutzt, nicht nur eine einzelne Wohnung sondern den gesamten Wohnkomplex so umzustrukturieren, dass wir alles Mögliche aus dem Plattenbau herausgeholt haben, um möglichst schwellenfrei in die Wohnung und wieder heraus zu kommen sowie innerhalb dieser zu bewegen. Da habe ich den Vorschlag unterbreitet, dass ich es spannend finde, eine Musterwohnung zu installieren, wo genau die smarten Lösungen im klassischen Wohnumfeld gezeigt werden. Nicht in einem sterilen Raum, wo alle Dinge aufgereiht ausgelegt werden, sie stattdessen in eine Wohnung zu integrieren und damit erlebbar zu machen.
Mareike Donath:
Die Musterwohnung des Vereins “ILWIA e.V.” gibt einen ganz praktischen Einblick, wie digitale Lösungen im Haushalt die Lebensqualität der Menschen spürbar verbessern können - mit kleineren und größeren Auswirkungen.
Katja Enderlein:
Es sind letzten Endes so viele kleine Dinge, die das Leben erleichtern können. Das geht los beim klassischen Hausnotruf, den viele mittlerweile auch kennen, der einem die Möglichkeit gibt, in einer Gefahrensituation Hilfe zu rufen. Wir haben das in ausgebauter Form über eine Hausrufanlage, die eben nicht nur einen Notknopf bedient, sondern auch die Möglichkeit gibt, den Herd mit einzukoppeln. Der Herd in der Küche hat eine ganz wichtige Bedeutung, denn wenn dieser nicht mehr verfügbar ist, kann ich keine warmen Speisen mehr zubereiten, auch wenn es morgens nur das Frühstücksei ist. Häufig ist es so, dass gerade auch die jüngeren Generationen dann unsicher werden, ob die Eltern mit den Dingen noch zurechtkommen und dann zu sehr radikalen Lösungen greifen - der Herd wird abgeklemmt. Damit nehme ich aber Lebensqualität. Wenn ich die Möglichkeit gebe, dort eine Abschaltautomatik zu integrieren. Dinge wie Alarmgeber, wenn Fenster oder Kühlschrank offen geblieben sind, bis hin zur Erinnerung, dass die Tabletten zu nehmen sind. Man kann es mit Pflegediensten koppeln, die ganze Situation der nächtlichen Sicherheit, wo es beispielsweise darum geht, ein Nachtlicht einzuschalten oder Sicherheit zu geben, wenn eine Person zu lange das Bett verlassen hat. Bestimmte Intervalle können durch künstliche Intelligenz erlernt werden und wir die Möglichkeit haben, wenn jemand für längere Zeit das Bett nicht aufgesucht hat, doch einmal nachzufassen. Ich habe so etwas beispielsweise auch bei mir in die Klinik integriert, weil ich es durch unsere Vereinsarbeit kennengelernt habe. Das ist für Pflegekräfte, die nachts Stationsbereiche überwachen, sehr hilfreich, da nicht alle Personen nachts nach Hilfe rufen.
Mareike Donath:
Technische Möglichkeiten und Innovationen sind das eine, aber die Bereitschaft, sich auf die Digitalisierung einzulassen, das andere. Manon Austenat-Wied von der Techniker Krankenkasse hat in dieser Hinsicht eine hohe Akzeptanz bei Ärzt*innen und medizinischem Personal erfahren.
Manon Austenat-Wied:
Ich habe im Moment die Gelegenheit, in der Enquete-Kommission zur ländlichen Versorgung mitzuarbeiten. Da haben wir uns in den letzten Monaten erst einmal mit einer Bestandsaufnahme beschäftigt - Was gibt es? Wie sind Kliniken aufgestellt? Haben wir zu viele oder zu wenige Kliniken? Zu diesem Thema gab es immer wieder Berichte in der Presse, ich erinnere an Wolgast oder Crivitz. Dann haben wir natürlich Ärzte die einer anderen Generation angehören, die kurz vor der Praxisübergabe stehen, die jetzt nicht mehr ganz so innovationsfreundlich sind, weil andere Fragestellungen im Vordergrund stehen. Was ich aber sehe ist, dass wir eine Reihe junger Ärzte haben, die schon hochmoderne Praxis haben, die eine digitale Arztpraxis haben, die sich an den zahlreichen Projekten des Landes (Innovationsfondsprojekte) - die TeleDermatologie, das Projekt mit der Uni Greifswald, Telenotarzt, HerzEffekt - beteiligen und gut in den Projekten zusammenarbeiten. Da sehe ich wirklich ein bisschen Aufbruchstimmung. Diese neuen Möglichkeiten bis hin zur Hebammenversorgung - Wie können Hebammen in der Corona Krise auch online beraten? Wie können sie ihre Leistung auch online abrechnen? All diese Dinge nehmen Fahrt auf und es zeigt mir, dass dieser telemedizinische digitale Aspekt dazu führt, dass wir ein bisschen mehr zusammenrücken und akzeptieren, es gibt in der Versorgung unterschiedliche Bausteine. Verglichen mit der Zeit vor Corona haben wir nicht mehr die Diskussion, dass wir sagen, Menschen können nicht nur per Video behandelt werden, wir können nicht nur online kommunizieren. Ich erlebe eine Akzeptanz - Versorgung ist vielfältig und Digitalisierung kann Versorgungsstrukturen entlasten.
Mareike Donath:
Als konkretes Beispiel für Innovation sieht Manon Austenat-Wied die elektronische Patientenakte. Sie ist Befürworterin der Datenbank, vor allem aus Datenschutzgründen.
Manon Austenat-Wied:
Ich würde ganz anschaulich argumentieren. Ich habe während der Corona Zeiten in einer Praxis ein Rezept abgeholt. Dabei stand ich in einer langen Schlange. Die Praxis hatte alles super organisiert, allerdings wusste ich anschließend auch, welche Diagnosen die Patienten vor mir in der Reihe hatten, welche Medikamente sie nehmen, wo sie wohnen und wie ihre Telefonnummer lautet. So viel zum Thema Datenschutz. Gleiches Thema - schauen Sie in einer gut organisierten Arztpraxis bei der Anmeldung über den Tresen sehen Sie ebenfalls Patientenakten auf dem Tisch liegen. Das alles habe ich mit der elektronischen Patientenakte nicht. Es ist Ende-zu-Ende verschlüsselt, je nach Krankenkasse hat man ein hohes Maß an Sicherheit durch die Verschlüsselungstechnik und hat dann Daten, die über die jeweilige Krankenkasse in die Akte eingespielt werden. Man kann sie nur selbst sehen und beschließen, ob eine Freigabe erteilt wird oder nicht. Diese Entscheidung liegt beim jeweiligen Versicherten, beim Patienten. Ein solches Maß an Sicherheit habe ich bei Akten in Papierform und Briefversand nicht.
Mareike Donath:
Auch Toralf Schnell möchte das Gesundheitswesen schneller, effizienter und patientenfreundlicher gestalten. Dazu arbeitet er an einem neuen Projekt, dem digitalen Patientenpfad.
Toralf Schnell:
Was ist ein Patientenpfad? Ich bin irgendwo im ländlichen Raum und habe in zwei Wochen eine Hüft-OP. Von dieser Aussage (ich habe eine Hüft-OP) bis zum Ende (ich bin durch, kann wieder laufen und Sport machen) - das ist der Patientenpfad. Dahinter verbirgt sich ganz viel. Online Termine vereinbaren können, wie beispielsweise für diese Operation, oder die Einweisung durch niedergelassene Ärzte, die vielleicht auch Daten und Dokumente übermitteln möchten, die ein Patient aufgrund der DSGVO einsehen kann. Das geht in Form eines Portals, ich logge mich ein und sehe meine Dokumente, falls ich im Krankenhaus bin kann ich nachschauen, wie die Versorgung auf dem Zimmer ist und welche Dienste ich in Anspruch nehmen kann. Ich kann im besten Fall auf meine Termine zugreifen (z.B. OP Termin) und eventuelle zeitliche Verschiebungen registrieren. Über das Portal kann im Nachhinein eine Umfrage zu den aktuellen Befindlichkeiten (Patient Reported Outcome Measures) durchgeführt werden (in verschiedenen zeitlichen Abständen). Diesen ganzen Prozess möchten wir digital abbilden - immer als zusätzliches Angebot. Man darf aus meiner Sicht Digitalisierung nicht als Selbstzweck verwenden, sondern als Alternative zum Aktuellen. Natürlich hat nicht jeder einen Computer zu Hause oder ein Smartphone in der Tasche, aber denen die es haben, möchten wir ermöglichen, diese Wege gehen zu können.
Mareike Donath:
Toralf Schnell betont, möglichst alle Beteiligten für die Digitalisierung zu begeistern. Denn was im privaten Bereich scheinbar möglichst leicht gelingt, ist im beruflichen Umfeld kein Selbstläufer. Sein Rat:
Toralf Schnell:
Alle möglichst frühzeitig abholen und von Beginn an mitnehmen. Im Privatbereich fällt es jedem total leicht zu fragen, ob man diese oder jene Serie auf Netflix bereits kennt. Eigentlich sind wir alle digital und bedienen diese Sachen, aber auf Arbeit, ich glaube besonders in Branchen z.B. wie dem Gesundheitswesen, da hat man vielleicht auch als Mitarbeiter die Erwartung, ich gehe die nächsten 30 Jahre morgens zur Arbeit, habe meine Schichtdienst und hake meinen Zettel ab. Das wird in Zukunft leider nicht mehr der Fall sein. Ich denke, so wie wir uns privat begeistern lassen haben, so müssen wir intern die Leute ebenfalls begeistern und motivieren. Wir müssen sozusagen unser Projektmarketing übernehmen, die Leute abholen und ihnen die Vorteile aufzeigen, welche Vorteile beispielsweise ein digitaler Anamnesebogen haben kann. Wenn wir das tun und Mitarbeiter erkennen, dass alles digital ist, sie dadurch zeitiger Feierabend haben und die Daten nicht noch abtippen müssen und auch Patienten die Vorteile sieht, dass der Bogen bereits im Vorfeld in Ruhe zu Hause ausgefüllt werden kann, wo ich bei bestimmten Begriffen noch einmal bei Familienangehörigen nachfragen kann. Ich glaube, wenn wir diese Vorteile aufzeigen können, dann können wir die Leute begeistern, digitale Alternativen zu nutzen. Wenn sie es gern benutzen wollen und sehen, wie digitale Lösungen ihre Probleme und täglichen Herausforderungen reduzieren können, dann sind sie, glaube ich, gerne dabei.
Mareike Donath:
Um die Mitarbeiter*innen auf dem Weg des digitalen Wandels mitzunehmen, hat Katja Enderlein, die Chefin der MEDIGREIF Parkklinik Greifswald, folgenden Rat:
Katja Enderlein:
Einfach anfangen! Immer nur darüber zu reden, macht es nicht besser. Man muss es schlichtweg tun und sich damit auseinandersetzen - man muss die Dinge einfach machen. In dem Moment wo man loslegt, muss man zuhören, vorhandene Ängste, die auch vollkommen berechtigt sind, wahr- und ernstnehmen und Hilfestellungen leisten. Wir testen für gewöhnlich erst einmal in einer kleineren Gruppe, bevor wir etwas Neues an den Start bringen. Wir testen häufig dort, wo die Kollegen aufgeschlossen gegenüber den digitalen Alternativen reagieren. Wenn sie das für sich angenommen haben und es für sie funktioniert, dann versuchen wir es möglichst zügig auszurollen und andere mitzunehmen. Meist haben wir die Erfahrung gemacht, wenn positiv über Neues berichtet wird, dann möchten es die anderen Kollegen ebenfalls anwenden.
Mareike Donath:
Die Aussagen von Katja Enderlein zeigen - in Mecklenburg-Vorpommern herrschen beim Thema digitale Gesundheitsversorgung eine echte Aufbruchsstimmung. Diesen Schwung will auch Toralf Schnell mitnehmen. Seine Vision für das digitale MV:
Toralf Schnell:
Mein Wunsch, meine Vision, für das digitale MV ist natürlich der Einsatz dieser tollen Technologien und Innovationen auch in unserem Land zu erleben. Meine Erwartung für mich persönlich ist auch, ich möchte gern mein Smartphone in die Hand nehmen und online einen Impftermin buchen, trage mir den Termin automatisch in den Kalender ein und gehe anschließend Freitag um 08:15 Uhr zum Impfen oder generell zum Arzt. Es heißt also, meine Vision für ein Flächenland wie MV ist der Einsatz von all diesen Technologien, digitalen Innovationen auch in der Gesundheitsversorgung. Der Pflegeroboter, der mir ein Wasser bringt und damit die Pflegekraft entlastet, wäre toll. Sicherlich auch für die Pflegekraft, die dadurch Zeit gewinnt und sich vielleicht näher mit dem Patienten austauschen. Sprechstunden per Video durchführen und den Menschen in MV einfach das gesunde Leben ermöglichen. Die meisten zumindest möchten älter werden, das vielleicht auch gerade in unserem digitalen MV. Länger zu Hause leben können, länger gesund leben können, länger im ländlichen Raum, in meinem Haus wohnen zu können, weil ich weiß, auch hier werde ich immer noch sehr gut versorgt. An diesen digitalen Innovationen und Lösungen mitzuarbeiten, freut mich sehr und ich hoffe, ich bekomme auch weiterhin die Möglichkeiten dafür. Das wäre meine Vision für unser Bundesland aus Sicht der Gesundheitsbranche.
Mareike Donath:
Auch Katja Enderlein sieht in MV ideale Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Katja Enderlein:
Das Land zum Leben und Arbeiten, das sehe ich für MV. Wir haben keine Schwerindustrie, die werden wir sicherlich nicht bekommen, die möchte ich auch ehrlich gesagt gar nicht hier haben, aber diese smarten Technologien und Fabriken, die Denkschmieden, die wir an unseren Fach- und Hochschulen haben, das Potential an jungen und innovativen Köpfen, was dort liegt, das würde ich gern hier im Land verortet wissen. Mit der Möglichkeit des Breitbandausbaus und den damit geschaffenen Voraussetzungen haben wir erstmalig die Chance, diese innovativen, jungen Köpfe hier im Land zu behalten, ihnen Lebensraum zu geben und damit das Land in einer Technologie Richtung weiterzuentwickeln, die andernorts nicht diese vielen Möglichkeiten verbindet. Wo hat man das schon? Tolle Natur, wunderbare Strände, sehr gut ausgerolltes Internet in hoffentlich kurzer Zeit, ideale Arbeits- und Lebensbedingungen. Ich möchte nicht woanders leben und wohnen.
Mareike Donath:
Erstmal loslegen und mutig voranschreiten - das Credo von Manon Austenat-Wied, der Chefin der Techniker Krankenkasse.
Manon Austenat-Wied:
Wir sind ein junges Land, was jede Menge Potentiale bietet. Wir sind eins der Bundesländer, das jetzt die Möglichkeiten hat, aus der Pandemie zu lernen und mit seiner Innovationskraft ganz weit nach vorn zu kommen. Es ist eben noch nicht festgefahren, wir haben junge Leute und Innovationskraft und in dieser Zeit jetzt erlebt haben, wie schnell wir veränderungsfähig sind. Unser Internet ist besser als sein Ruf, weil alles, was ich jetzt erlebt habe - wir konnten alles online schaffen und kommunizieren. Selbst große Konferenzen mit mehreren hundert Teilnehmern funktionierten. Diese Dynamik behalten, mitnehmen und verstetigen, aufgeschlossen miteinander arbeiten. Ich finde auch, dass wir mit uns ein bisschen milder sein sollten und nicht immer die hundert Prozent Lösung fordern, sauer sind, wenn sie nicht sofort auf dem Silbertablett präsentiert wird, sondern wir uns über die Schritte freuen, die wir gemeinsam vorangehen. Das wir über die Grenze unseres Bundeslandes hinweg zeigen, wir sind ein Land zum Leben, MV tut unheimlich gut und wir sind ein Land zum Arbeiten, welches das reale Leben total im Griff hat und es ist einfach ein Privileg, hier zu leben.
Mareike Donath:
Liebe Zuhörer*innen,
Sie erhielten einen Einblick, welche Chancen Digitalisierung für uns in MV bietet und wie digitale Ideen das Gesundheitswesen in MV voranbringen können.
In der nächsten Folge des Podcasts vom digitalen MV werfen wir eine Blick auf die kommende Nørd. Das ist der größte landesweite Digitalkongress. Die Nørd findet in der Zeit vom 31. Mai bis zum 14. Juni 2021 überwiegend als Online Veranstaltung statt. Zum zweiten Mal wird die Nørd zum Place to be für Gründer*innen, Vorantreiber*innen sowie Umdenker*innen. Was so alles passiert und welche Highlights auf die Teilnehmer*innen warten, davon mehr in der nächsten Folge. Ich freue mich, wenn Sie wieder dabei sind.
Herzlichst, Ihre Mareike Donath