Digitale Transformation der Bildung. Über die Verantwortung für die Gestaltung der Bildung in einer digitalen Welt.
Christine Bach, Digitales Innovationszentrum Rostock
Die Digitalisierung erneuert sämtliche Lebensbereiche unserer Gesellschaft mit einer hohen Geschwindigkeit. Die Gestaltung der in diesem Zusammenhang notwendigen Veränderungsprozesse für eine erfolgreiche digitale Transformation ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen. Bildungseinrichtungen sind entsprechend dieser Entwicklung gefordert, ihre Weiterbildungsqualität in Transformationsprozessen kontinuierlich an diesen Fortschritt anzupassen. Im Rahmen des Lebenslangen Lernens bieten digitale Lernmedien hervorragende Potenziale, die Lernenden bei der Erweiterung ihres Wissens und ihrer Handlungskompetenzen passgenau und individuell zu unter-stützen. Um diese Potenziale auch im Kontext des Megatrends der Digitalisierung nutzbar zu machen, sind didaktische Konzepte mit digitalen Lernmedien gefragt. Dazu ist es notwendig, Verständnis für neue Technologien zu wecken, Barrieren abzubauen und Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien zu erlangen.
Mit dem ersten landesweiten Digitalisierungskongress NØRD im Jahr 2019 in Mecklenburg-Vorpommern kehrte das Schwerpunktthema „Digitalisierung in der Bildung“ am Rostocker Standort ein. Seitdem hat es sich das Digitale Innovationszentrum (DIZ) Rostock zur Aufgabe gemacht, langfristig Antreiber und Begleiter in diesem Thema zu werden und zu bleiben.
1. Status quo: Vergangene Erfahrungen mit digitaler Technologie in der Bildung - ein zeitlicher Abriss
Digitale Tools werden im deutschen Bildungssystem seit mehreren Jahrzehnten genutzt, jedoch haben sich die Verbreitung sowie die Integration dieser in den letzten Jahren erheblich beschleunigt. Lernplattformen, Onlinekurse, digitale Schulbücher und interaktive Lernmaterialien halten immer mehr Einzug in den Bildungsbereich. Bereits in den 1980er Jahren wurden erste Computer für Schulen angeschafft, welche jedoch rudimentär und begrenzt in ihren Anwendungsmöglichkeiten waren.1 In den 1990er Jahren hingegen begannen Schulen Computerkabinette einzurichten und so den Schülerinnen und Schülern grundlegende Computerkenntnisse zu vermitteln, wobei die Nutzung verschiedener Softwares nachrangig behandelt wurde. Der Zugang zum Internet war ein echter Meilenstein. Mit ihm konnten nun Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler auf Onlineressourcen zurückgreifen und das Potenzial digitaler Technologien für das Bildungssystem stieg bedeutend an. In den 2000er Jahren wurden die ersten Lernplattformen, wie Moodle2, zur Nutzung an Schulen und Hochschulen zur Verfügung gestellt. Ein weiteres Jahrzehnt später stieg die Verbreitung mobiler Endgeräte wie Laptop, Tablets oder Smartphones weiter an. Die Schulen begannen sukzessiv, diese Endgeräte in ihren Unterricht zu integrieren und unterschiedliche Apps für den Bildungsbereich zu nutzen.
In den letzten Jahren kam es zu verstärkten Anstrengungen, das Bildungssystem weiter zu digitalisieren. Die Bundesregierung und die Länder haben unterschiedliche Initiativen ins Leben gerufen, um den Einsatz digitaler Tools und Medien an Schulen zu fördern.3 Dies beinhaltet auch die Bereitstellung von Fördermitteln für die Beschaffung von Hardwares sowie für die Schulungen von Lehrkräften. Ein wichtiger Faktor, welcher nicht außer Betracht gelassen werden sollte, ist der Umstand, dass die Integration digitaler Tools im deutschen Bildungssystem nach wie vor regional und schulspezifisch stark variieren kann. Während einige Schulen bereits sehr fortgeschritten in der Nutzung digitaler Tools sind, gibt es Schulen, die noch am Anfang stehen.4 Die Weiterentwicklung in diesem Bereich schreitet jedoch voran, da die Bedeutung der Digitalisierung im Bildungsbereich anerkannt wird.
2. Vertrauen in digitale Bildungstools und dessen Einfluss auf das Lernverhalten
Vertrauen spielt eine entscheidende Rolle in der Akzeptanz digitaler Bildungstechnologien. Menschen tendieren dazu, Technologien zu vertrauen, wenn sie klare Vorteile bieten und keine Gefahr für ihre Privatsphäre darstellen.5 Wie die Studie von Raveendharn und Fast zur Akzeptanz von Algorithmen darstellt, ist es wichtig, das Vertrauen der Lernenden in digitale Bildungstools zu gewinnen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, digitale Technologien so zu gestalten, dass sie menschliche Interaktion, wie die zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern, sinnvoll ergänzt und nicht versucht zu ersetzen.
Nicht zuletzt hat die digitale Transformation Auswirkungen auf das Lernverhalten und die psychische Gesundheit von Lernenden. Bedingt durch die permanente Verfügbarkeit digitaler Bildungsressourcen kann dies bei Lernenden zu einem ständigen Vergleich und Wettbewerb führen, da unter Umständen der Leistungsdruck und das Bestreben nach dauernder Verbesserung zu Stress und Angstzuständen führen kann. Daraus lässt sich herleiten, dass es notwendig ist, für dieses Thema zu sensibilisieren und Strategien zur Förderung des gesunden Lernverhaltens zu entwickeln, welches wiederum an die Rolle der Lehrkräfte geknüpft ist.
3. Die Rolle der Lehrkräfte und die Ausbildung von Lehrrinnen und Lehrern
Die digitale Transformation in der Bildung erfordert eine Anpassung der Rolle von Lehrkräften und eine entsprechende Ausbildung dieser. Lehrerinnen und Lehrer müssen nicht nur in der Lage sein, digitale Technologien zu kennen und diese effektiv in ihrem Unterricht zu integrieren, sondern auch die Fähigkeit besitzen, Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung von digitalen Kompetenzen und kritischem Denken zu unterstützen.
Lernende sollten demnach nicht nur technische Fähigkeiten entwickeln, sondern auch ein Verständnis für den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Technologien. Dies beinhaltet die Fertigkeit, digitale Werkzeuge sinnvoll und ethisch zu nutzen. Die digitale Bildung sollte nicht aus-schließlich auf die Vermittlung von technischem Wissen abzielen, sondern auch die Förderung von kritischem Denken, Medienkompetenz und sozialer Intelligenz. Schülerinnen und Schüler sollten in der Lage sein, Informationen zu bewerten, digitale Tools verantwortungsvoll zu nutzen und sich über die Auswirkungen ihres Handelns in der digitalen Welt bewusst zu sein. Um dies zu gewährleisten, ist eine Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und Eltern wichtig. Die Chancen, welche sich durch die digitale Transformation der Bildung bieten, sollten genutzt und die Herausforderungen, die damit einhergehen, gleichzeitig angegangen werden.
4. Die Zukunft der Bildung in der digitalen Welt und Lebenslanges Lernen
Die digitale Transformation in der Bildung bietet immense Chancen für binnendifferenziertes und individualisiertes Lernen. Die Bildung in einer digitalen Welt ist jedoch mehr als nur eine technologische Transformation. Sie ist auch eine gesellschaftliche. Der Zugang zur Bildung sollte daher gerecht zugänglich sein und es gilt, dass niemand aufgrund mangelnder Ressourcen benachteiligt wird. Die Entwicklung von digitaler und Medienkompetenz muss eine zentrale Rolle in der Bildung spielen, um Lernende darauf vorzubereiten, sich in einer Welt, welche sich rasant verändert, komplex, ungewiss und mehrdeutig ist (VUCA6), zurechtzufinden. Gleichzeitig darf die Bedeutung sozialer und emotionaler Intelligenz nicht vernachlässigt werden, da diese Fähigkeiten ebenso bedeutsame Funktionen im Leben erfüllen, wie das Know-how über verschiedene Technologien.
Die digitale Bildungstransformation ist ein fortlaufender Prozess, da sich Technologien stetig weiterentwickeln. Bildungseinrichtungen und ihre Lehrkräfte sind angehalten, sich kontinuierlich fortzubilden und weiterzuentwickeln. Die Förderung einer Kultur des Lebenslangen Lernens ist folglich entscheidend, damit Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, die neuen Entwicklungen in der digitalen Bildung zu verstehen und in ihren Unterricht zu integrieren. Dies erfordert gleichermaßen eine Unterstützung durch Bildungseinrichtungen sowie die Bereitstellung von Ressourcen für die Weiterbildung von Lehrkräften.
5. Zusammenfassung und Ausblick
Die digitale Transformation in der Bildung ist unaufhaltsam und bietet großartige Möglichkeiten für die Verbesserung des Lernens und Lehrens. Gleichzeitig bringt sie Herausforderungen und Fragen hinsichtlich des Datenschutzes, ethischer Nutzung und sozialer Gerechtigkeit mit sich.
Um das Potenzial der digitalen Bildung vollständig auszuschöpfen und die damit verbundenen Risiken zu minimieren, bedarf es eines kontinuierlichen Lernens des Umgangs mit der digitalen Transformation. Dies erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die technische, ethische und soziale Aspekte berücksichtigt. Lehrerinnen und Lehrer, Bildungseinrichtungen, Eltern und Lernende selbst müssen gemeinsam daran arbeiten, die Bildung in der digitalen Welt zu gestalten. Die Zukunft der Bildung liegt also in den Händen derer, die sie formen. Die Zeit diese Verantwortung anzunehmen und aktiv an der Gestaltung der Bildung in der digitalen Welt teilzunehmen, ist keine Aufgabe der Zukunft, sondern der Gegenwart.
Genau an dieser Stelle möchte auch das „Digitale Klassenzimmer“ des DIZ Rostock ansetzen. Getreu dem Motto „ausprobieren, austauschen, ausgestalten“ wird Lehrkräften aus ganz Mecklenburg-Vorpommern ein geschützter Raum geboten, in dem sie unter anderem Digitale Tafeln, Apps, Robotik und Augmented Reality anwenden können – ganz ohne die aufmerksamen Augen der Schülerinnen und Schüler im Rücken. Ziel ist es, die Digitalisierung so geschult und sicher in die Klassenzimmer zu bringen.
Literatur & Quellen
1 Harri Du Bois. Der Computer in Schule und Unterricht. Eine Befragung baden-württembergischer Lehrer. 2005. bibliographie.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/47530/pdf/Disskomplett_v8_060407Endfassung_v2N4.pdf
3 Weitere Informationen: digitalpaktschule.de
4digitalpaktschule.de/de/foerderlandkarte-1806.html
5 Raveendhran, R., & Fast, N. J. (2021). Humans judge, algorithms nudge: The Psychology of Behavior Tracking Acceptance. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 164, 11–26. doi.org/10.1016/j.obhdp.2021.01.001
Kontakt
Digitales Innovationszentrum Rostock GmbH
Albert-Einstein-Straße 21, 18059 Rostock
Telefon: 0381 498-1198
E-Mail: info[at]diz-rostock.de