Vor- und Nachteile von Patientenüberwachungssystemen

Nadine Müller, Digitales Innovationszentrum Greifswald

Die rasche Entwicklung der Medizintechnologie hat in den letzten Jahrzehnten zu einer bemerkenswerten Verbesserung der Patientenversorgung geführt. Eine der bedeutendsten Innovationen auf diesem Gebiet sind Patientenüberwachungssysteme, die dazu beitragen, den Gesundheitszustand von Patienten kontinuierlich zu überwachen und kritische Informationen in Echtzeit bereitzustellen. Diese Systeme bieten zweifellos viele Vorteile für die Patientenversorgung, wie eine schnellere Erkennung von medizinischen Problemen und eine effizientere Nutzung von Ressourcen im Gesundheitswesen. Doch gleichzeitig stehen sie auch vor Herausforderungen und Risiken, die sorgfältig abgewogen werden müssen. In diesem Fachbeitrag werden wir die Vor- und Nachteile von Patientenüberwachungssystemen eingehend beleuchten, um ein umfassendes Verständnis für diese innovative Technologie und ihre Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung zu vermitteln.

1. Was ist Patientenüberwachung?

Als Patientenüberwachung wird die systematische, geplante und sich wiederholende Erfassung und Darstellung von Körper- und Organfunktionen, biochemischen und anderen Prozessen definiert, die dazu dient, Informationen über den Gesundheitszustand eines Patienten zu erfassen. Teil der Zielstellung von Patientenüberwachung ist die Früherkennung von Veränderungen des Gesundheitszustandes des Patienten. Patientenüberwachungs- bzw. Monitoringsysteme müssen demnach in der Lage sein, eine oder mehrere klinisch relevante physiologische Variablen zu messen, Änderungen dieser über die Zeit zu erfassen und darzustellen und bei pathologischen Veränderungen die Informationen an das zuständige medizinische Personal und / oder den Patienten zu vermitteln.

Das Konzept der Patientenüberwachung ist aus heutigen Arztpraxen und Krankenhäusern nicht mehr wegzudenken, sei es die 10-minütige Beobachtung nach einer COVID-Impfung oder die kontinuierliche EKG-Überwachung von Herzinfarktpatienten. Dabei müssen medizinische Geräte, die zu diesem Zwecke genutzt werden, eine Vielzahl von Bedingungen erfüllen. Sie dürfen die Patientensicherheit nicht gefährden, müssen einfach zu reinigen und bedienen sein, sollten transportabel sein, sich mit anderen Geräten vernetzen lassen und vor allem zuverlässig und genau sein.

Diese Geräte bestehen in den meisten Fällen aus einem Sensor bzw. einem sensorischem Apparat, der einen physiologischen Parameter misst, einer Biosignalverarbeitung, welche erlaubt, die Biosignale in auswert- und darstellbare Daten umzuwandeln, eine Datenverarbeitungseinheit, eine Darstellung- und Benutzerschnittstelle, eine Alarmgebung und eine Datenkommunikationsschnittstelle.

2. Bedeutung von Patientenüberwachungssystemen auf Intensivstationen

Zunächst muss erwähnt werden, dass technische Überwachungssysteme dazu dienen, das medizinische Personal zu unterstützen und nicht zu ersetzen. Einige medizinische Parameter, wie der Bewusstseinszustand eines Patienten, können zwar standardisiert abgefragt werden, benötigen allerdings eine zwischenmenschliche Komponente, die mit apparativen Verfahren nicht gewährleistet werden kann.

Was technische und automatisierte Monitoringmethoden erreichen können, ist die Belastung und den Zeitaufwand für medizinisches Personal zu reduzieren. Zu den typischen stationär angewandten Methoden zählen EKG-Monitoring, Blutdrucküberwachung, PiCCO-Monitoring, Pulsoxymetrie und Respirationsüberwachung. Liegen die gemessenen Werte außerhalb eines Normbereiches, wird ein Alarm ausgelöst, sodass den Patienten sofort geholfen werden kann. Auch wenn diese Alarme lebensrettend sein können, kann die Bedeutung von Alarm-Fatigue nicht unterschätzt werden. Obwohl es eine Vielzahl von nicht invasiven Methoden gibt, ist es in einigen Fällen nötig, invasivere Methoden zu verwenden. Dies ist, wie jeder invasive Eingriff, mit Risikofaktoren, wie Embolien oder Fingernekrosen verbunden. Des Weiteren bedeutet die Entlastung des Personals auch, dass Krankenpfleger:innen und Ärzt:innen weniger Zeit mit ihren Patienten verbringen, wodurch Verhaltensauffälligkeiten oder Hautveränderungen später entdeckt werden.

Weiterhin stellen medizinische Geräte häufig auch eine Beeinträchtigung der Beweglichkeit der Patienten dar, wodurch diese weniger durch ihren körperlichen Zustand und mehr durch Geräte und Monitore „ans Bett gefesselt“ sind. Dabei kann gerade leichte Bewegung nach einer Operation zur schnelleren Erholung des Patienten führen und operationsbedingte Risiken wie Thrombosen vermindern.

Trotz all dieser Herausforderungen sind apparative Monitoringsysteme aus unserem heutigen Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Gerade auf Intensivstationen verringern sie die Arbeitslast für das Personal, erleichtern die Diagnose und sichern eine schnelle und konstante Patientenversorgung.

3. Klinische Informationssysteme

Obwohl der erste Einsatz von Computern im klinischen Umfeld bereits 1966 erfolgte, haben sich die grundlegenden Ansätze zur Datenakquisition in den letzten Jahrzehnten nur wenig geändert. Klinische Informationssysteme sind in weltweiten Krankenhäusern etabliert und von mehreren Herstellern erhältlich, zeigen aber in den letzten Jahren immer mehr ihre Limitationen. Diese Systeme verzichten auf das Aufzeichnen von Daten und somit einem longitudinalen Gesundheitsbild, im Austausch zur Messung von hochauflösenden physiologischen Daten. Die Prozessierung und Analyse der Daten wird ebenfalls nicht durch die Monitoringgeräte selbst abgeschlossen und unterliegt demjenigen, der die Informationen vom Gerät abliest, zumeist in einer Darstellungsform, die sich seit dem letzten Jahrhundert nicht verändert hat. Um Monitoringsysteme effektiver zu gestalten, müssen die bioinformatischen Herausforderungen gemeistert werden. So brauchen die Geräte mehr Speicher oder eine Möglichkeit, ihre Daten direkt auf einen externen Speicher zu übertragen. Es müssen Programme für die Analyse der Daten aus mehreren physiologischen Parametern erstellt und in der Klinik getestet werden und die Darstellung des Gesundheitszustandes von Patienten vor Ort muss verbessert werden.

4. Mobile Patientenüberwachungssysteme und neue Ansätze

Die Speicherung und Aufarbeitung großer Datenmengen ist vor allem von Bedeutung für die Patientenüberwachung in der ambulanten und häuslichen Versorgung. Tests mit kleinen, nicht invasiven Geräten, die ihre Daten über drahtlose Netzwerke übertragen, haben sich in klinischen Tests gegenüber manuell überwachten Patienten bewiesen (Webster et al. 2022). So mussten Patienten, die mit mobilen Monitoringsystemen ausgestattet wurden, signifikant seltener in die Notaufnahme. Dabei gibt es eine Vielzahl an Geräten, die verschiedenste biologische Parameter messen, wie ein mobiles EKG, Elektromyogramme, Bewegungssensoren oder Temperaturmessungen.

Die langfristige Überwachung des individuellen Gesundheitszustandes stellt dabei einen Fortschritt in der Personalisierung der Medizin dar. Mit den Beobachtungen können auf Einzelpersonen angepasste Behandlungspläne erstellt und präventive Maßnahmen schneller und gezielter angewendet werden. Zudem können langfristig erworbene Daten vor allem bei fortschreitenden und chronischen Erkrankungen das Verständnis von komplexen Krankheitsverläufen verbessern und somit Behandlungsmethoden für alle Patienten optimieren.

Diese und andere Technologien kommen mit immer neuen und größeren Datenmengen, die uns vor neue bioinformatische Herausforderungen stellen. Die Geräte müssen zudem in regelmäßigen Abständen Daten senden, was in Teilen Deutschlands durchaus ein Problem darstellt. Auch die Sicherheit der Netzwerke, in denen die Patientendaten gesendet werden, sowie der damit verbundene Datenschutz stellen ein Problem dar. Was macht man mit den Daten, die erfasst wurden? Sollen diese gelöscht oder archiviert werden? Dürfen diese anonymisiert in der Forschung verwendet werden? Hier könnte der Gesetzesentwurf für das „Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ bald Antworten liefern. Zu all diesen Fragen kommen noch die häufig geringe Akku-oder Batterielaufzeiten der Geräte, Anwendungsfehler und Compliance hinzu. Trotz all dieser Probleme und ungeklärter Herausforderungen zeigt die mobile Patientenüberwachung großes Potenzial für Innovationen in Forschung und Medizin.

5. Ausblick

Die Forschung und Weiterentwicklung von Monitoringmethoden und -daten nimmt in Zeiten des Fachkräftemangels einen immer größeren Stellenwert ein. Um ein nachhaltiges Wachstum im medizinischen Sektor, eine stabile Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und mit der voranschreitenden Entwicklung der Medizintechnik mitzuhalten, wird die Digitalisierung des Gesundheitswesens immer bedeutender. Das Digitale Innovationszentrum Greifswald beschäftigt sich mit dem Schwerpunkt Digitalisierung. Durch die Nähe zum Universitätsklinikum Greifswald erhält das DIZ Greifswald wertvolle Einblicke in die Patientenüberwachung und die nötigen Innovationsansätze für eine verbesserte medizinische Grundversorgung.

 

Literatur

Baig et al. (2017): A Systematic Review of Wearable Patient Monitoring Systems – Current Challenges and Opportunities for Clinical Adoption, Journal of Medical Systems, link.springer.com/article/10.1007/s10916-017-0760-1

Bundesverband Medizintechnologie e. V. (2023): bvmed.de

De Georgia et al. (2015): Information Technology in Critical Care: Review of Monitoring and Data Acquisition System for Patient Care and Research, The Scientific World Journal, pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25734185

Gesundheitsdatennutzungsgesetz: bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/gesundheitsdatennutzungsgesetz

Imhoff (2018): Medizinische Physik, S. 647-656, link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-54801-1_30

Motzkus (2016): Pflegewissen Intermediate Care, S. 7-24, link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-49511-7_2

Webster et al. (2022): Patient monitoring, wearable devices, and the healthcare information ecosystem, British Journal of Anesthesia, bjanaesthesia.org/article/S0007-0912(22)00120-9/fulltext

Kontakt
Digitales Innovationszentrum Greifswald
c/o DIZ am Hafen, Salinenstraße 26, 17489 Greifswald
Telefon: 03834 550550
E-Mail: diz[at]witeno.de