Digitalisierung als Organisationstalent: Wie die kultur.schule Malchin mit 3 Stellen über 1.000 Schüler:innen koordiniert

Judith Kenk, Digitales Innovationszentrum Neubrandenburg

Wer aufmerksam für digitale Prozesse in der Region ist, kommt an der kultur.schule Malchin nicht vorbei. Schnell fällt auf, dass hier alles digitalisiert ist. Ein Muss: Wie sonst können über 1.200 Schüler:innen und 25 Standorte von nur drei Personen koordiniert werden? Gleichzeitig ist es ein Ort voller Leben, Menschen und persönlichem Miteinander.

Ist die kultur.schule Malchin ein Vorbild bei der Digitalisierung in der Region? Welche Schritte und Perspektiven besonders wichtig für eine gelungene Digitalisierung sind, dazu habe ich mit Fridolin Zeisler, Leiter der kultur.schule ein Interview geführt.

Fridolin, du bist Leiter der kultur.schule Malchin und gleichzeitig auch aktiv als Musikschullehrer. Stell die kultur.schule und dich vor!

Mein Name ist Fridolin Zeisler und ich leite die seit 1990 bestehende Regionalmusikschule Malchin. Im Jahr 2020 ergab sich für uns die tolle Möglichkeit, in ein größeres Gebäude umzuziehen. Das gab uns die Chance, unser Spektrum über die Musik hinaus zu erweitern und ein breites Angebot an Kultur- und Bildungsthemen aufzubauen.

Aktuell nehmen mehr als 1.200 Schüler:innen unser Angebot an ca. 25 Standorten in Malchin, Stavenhagen, Dargun, Demmin, Altentreptow, den Kindergärten und Schulen wahr.
Neben unserem eigenen Programm bieten wir auch externen Interessierten und Akteuren die Möglichkeit, unsere Infrastruktur zu nutzen. Sie finden bei uns eine kreative und offene Atmosphäre sowie hervorragend ausgestattete Räumlichkeiten. Für Kurse, Veranstaltungen, Ausstellungen, Tagungen, Konzerte, Fortbildungen, Coworking steht alles zur Verfügung!

Ihr seid an 25 Orten aktiv. Dann habe ich gelesen, dass weitere MusikschulStandorte dazu kommen. Wie behältst du das alles im Blick? Du musst sehr gut digitalisiert und organisiert sein!

Im Jahr 2013 haben wir basierend auf den Erfahrungen unserer Mitarbeitenden und deren Entwicklungsanregungen eine Digitalisierungsstrategie entwickelt. Diese Strategie entwirft eine Vision für die Zukunft der Musikschularbeit, in der alle Hilfsmittel – ob Software oder Hardware – und der gesamte Workflow daraufhin ausgerichtet werden, die Arbeit zu vereinfachen, kosteneffizient und benutzerfreundlich zu sein. Ein wichtiges Kriterium ist außerdem, dass wir die Technik selbstständig beherrschen und nicht von externer Hilfe abhängig sind. Dieser Ansatz erfordert im Vorfeld umfassendes Wissen und zahlreiche Versuche, aber letztendlich führt er dazu, dass unsere Vision Wirklichkeit wird.

Ein konkretes Beispiel: Als Musikschullehrkraft benötigt man ständig Noten, die jedoch nicht überall verfügbar sind, da wir an unterschiedlichen Orten unterrichten. Daher haben wir mit den Gitarrenlehrkräften alle Noten digitalisiert, Stücke aufgenommen, Videos erstellt und mit Notationssoftware bearbeitet. Das Ergebnis ist beeindruckend: Überall, wo ich hingehe, habe ich in meinem Computer alles Nötige dabei. Die effiziente Organisation und Suche nach Stücken durch Schlagwörter erleichterten die Arbeit enorm!

„…wobei wir stets darauf achten, möglichst wenige, aber gut beherrschte Werkzeuge zu verwenden, um Systembrüche, Daten- und Integrationsverluste zu vermeiden.“

Bei der Wahl unserer Kernsoftware suchten wir nach einer umfassenden Lösung, da eine einzelne Software, die alle Bedürfnisse abdeckt, nicht existiert. Mit SpeedAdmin haben wir jedoch eine Lösung gefunden, die viele Anforderungen der kultur.schule erfüllt: Verwaltung von Nutzenden, Inventar, Räumen, Kursen, Unterrichtseinheiten und Abrechnungen. Diese Software beinhaltet zudem eine Lernplattform, ein digitales Hausaufgabenheft und Kommunikationsmöglichkeiten und ist plattformübergreifend nutzbar. Ergänzt wird sie durch weitere spezifische Tools, wobei wir stets darauf achten, möglichst wenige, aber gut beherrschte Werkzeuge zu verwenden, um Systembrüche, Daten- und Integrationsverluste zu vermeiden.

Du bist sozusagen der Ursprung des Systems, ziehst alle Akteure mit?

Es heißt so schön: Change Management ist Führungsaufgabe. Leitungspersonen müssen eine Vision haben, wie die Organisation entwickelt werden soll. Wenn diese fehlt, wird nur verwaltet. Organisatorischer Stillstand ist für mich keine Option in einer Welt, die sich so rasant weiterentwickelt.

„Es heißt so schön: Change Management ist Führungsaufgabe. Leitungspersonen müssen eine Vision haben, wie die Organisation entwickeln werden soll.“

… und das funktioniert auch? Oder gibt es Probleme?

(lacht) Wir arbeiten mit Menschen, da begegnen uns immer Herausforderungen und Missverständnisse. Hinzu kommt, dass wir unser aktuelles System erst seit einem Jahr nutzen, was eine stetige Anpassung und Optimierung erfordert.

Üblicherweise starten wir erst in einer kleinen Gruppe, die das System intensiv erkunden – den Early Adopters. Diese Gruppe dient als Wegbereiter und hilft, das System schrittweise in größere Kreise zu integrieren. Dabei legen wir großen Wert darauf, klar definierte Anwendungsfälle zu formulieren. Diese werden dann sorgfältig ausgearbeitet und durch Tutorials und Checklisten bis zur Praxisreife entwickelt. So werden die anderen Lehrkräfte nach den persönlichen Schulungen in die Lage versetzt, unsere Gedanken nachzuvollziehen und die Vision in der intendierten Weise umzusetzen.

„Ein Werkzeug muss besser sein als das vorher genutzte, sonst macht die Einführung keinen Sinn.“

Sobald die Einführungsphase abgeschlossen ist, beginnen die Lehrkräfte mit der Arbeit im neuen System. Auf diesem Weg stoßen wir stets auf Nachbesserungsbedarf, den die Anfangsgruppe der Early Adopters identifiziert, löst und anschließend kommuniziert. Erst nachdem diese Hürden überwunden sind, können wir das System schrittweise an unsere Hauptnutzer, die Schüler:innen und ihre Familien, weitergeben. Dabei führen wir die Funktionen behutsam ein, um allen einen leichten Zugang zu ermöglichen. Video-Tutorials haben dabei oberste Priorität, und persönliche Schulungen sowie Problemlösungen werden je nach Bedarf angeboten.

„Hinter allem steht jedoch eine genau formulierte Vision: Wenn man sich auf unbekanntes Terrain vorwagt, ist es essenziell, genau zu wissen, was man erreichen möchte.“

Du hast gesagt, du hast Videos vorproduziert. Also bist du technisch ausgestattet. Kannst du das umreißen, was du für Technik hast und was einfach für dich essenziell ist?

Unsere Mitarbeitenden haben Laptops, die den wichtigsten Bedürfnissen Rechnung tragen: Sie sind leicht, leise, haben einen Touchscreen, Stift und Tabletmodus, besitzen gute Mikros und Lautsprecher, eine Kamera und der Möglichkeit an den Dockingstations in die Infrastruktur des Hauses integriert zu werden. Die “digitalen Grundbedürfnisse” sind somit umfassend abgedeckt. Häufig ist es aber so, dass Situationen entstehen, in denen eine höhere Qualität erforderlich ist. Das ist mit Software und ein paar Webcams zu bewerkstelligen, die wir dauerhaft zur schnellen Nutzung bereitstellen.

Aber es geht noch professioneller: Gute Kameras, Bildmischer, Licht, Ton und die ergänzende Technik stehen dafür ebenso an den kultur.schulen zur Verfügung. Viele Veranstaltungen, Konferenzen, Tutorials brauchen einfach gute Qualität und sind aufzeichnungswürdig. Mittlerweile dokumentieren wir die meisten unserer Veranstaltungen, damit sie Kinder, Jugendliche und Erwachsene noch einmal sehen, weitergeben und sich daran erfreuen können. Mit unserem Equipment übernehmen wir das für die Zwecke der kultur.schulen, aber auch für Auftraggeber:innen und geben damit allen die Möglichkeit, das Event zu genießen und sich nicht um die Dokumentation kümmern zu müssen.

Bei unseren größeren Konzerten verzichten wir beispielsweise auf die teure Bühne in der riesigen Turnhalle. Wir projizieren das Bild auf die Trennwand und geben damit die Möglichkeit, ganz nah dabei zu sein. Auch in der letzten Reihe. Wir drucken auch keine Programme mehr. Sie rascheln nur, können im Dunkeln nicht gelesen werden und werden nachher oft weggeworfen. Deshalb projizieren wir alle Informationen an die Wand und integrieren sie auch in den Livestream für diejenigen, die nicht vor Ort sein können.

Ich habe über Euren Instagram-Kanal mitbekommen, dass Du anderen Musikschulen in Deutschland von den eigenen digitalen Prozessen berichtest. Kann man sagen, dass Ihr mit der kultur.schule ein Vorbild seid?

Kultur- und Bildungseinrichtungen digitaler zu denken, ist ein faszinierendes und herausforderndes Thema. Wir müssen mit der Zeit gehen, unsere Lehrkräfte und alle Nutzenden einbeziehen und aktuelle pädagogische Konzepte einfließen lassen. Wir sind immer auf der Suche nach guten, handhabbaren Lösungen, versuchen, unsere Häuser attraktiv auszustatten und alle neuen Themengebiete mitzudenken, um eine moderne digitalisierte Lernumgebung zu schaffen.

Da wir funktionierende Lösungen gefunden und vielfältige Erfahrungen gesammelt haben, dürfen wir regelmäßig Musikschulen und Kultureinrichtungen im deutschsprachigen Raum beraten, unterstützen und fortbilden. Auf Bundesebene arbeiten wir in Arbeitsgruppen des Verbandes deutscher Musikschulen zu diesem Thema, aber auch im Landesverband liegt dieses Thema oft in unserer Hand.

Die Bedeutung von Medienkompetenz für Lehrende kann nicht genug betont werden. Sie müssen wissen, wie unser eigenes System funktioniert. Sie müssen aber auch wissen, wie es von den Schüler:innen auf den eigenen Geräten genutzt werden kann. Wir benötigen einen Überblick über die Möglichkeiten, Herausforderungen und Gefahren von Medien und müssen jederzeit versuchen, auf dem aktuellen Stand zu sein. Auch wenn wir ein geschütztes, in sich geschlossenes Lernsystem aufgebaut haben, in welchem wir die Moderator:innen sind, müssen wir unsere digitalen Prozesse rechtfertigen und unsere Nutzenden mitnehmen.

Natürlich war die Pandemie Innovationstreiber und hat uns in unserem Weg bestärkt, neue und zielgerichtete Lösungen zu finden. Bereits am „Tag eins“ des ersten Lockdowns konnten die Lehrkräfte den Unterricht digital erteilen. Eine aufregende Zeit, in der wir viel gelernt haben, unsere Unterrichtskonzepte umgestaltet und modernisiert haben. Eine Zeit, in der unsere Nutzenden unglaublich dankbar für die Möglichkeit waren, weiter Musik zu machen und sich zugleich für neue Ideen in der Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten begeistern ließen. Nun ist es an uns, diese Dynamik beizubehalten und nicht in alte Verhaltensweisen zurückzufallen!

Was sind für Dich die Vorteile von digitalen Tools oder Tools allgemein, die man sich zur Hilfe nimmt. Was ist für Dich wichtig? Was macht es aus?

Bei dieser Frage denke ich sofort in der Organisationsebene, wo definiert werden muss, wie die Beteiligten mit welchen Werkzeugen arbeiten werden. Dafür müssen die nötigen Prozesse so einfach wie möglich aufgebaut sein. Nur dann werden neue Workflows akzeptiert und genutzt.

Für uns sind Systembrüche zwischen den Tools eine große Herausforderung. Am liebsten ist es uns, wenn es ein einziges Werkzeug für alle Anwendungsgebiete gibt, was in sich konsistent aufgebaut, für alle zugänglich und skalierbar ist. Das ist der Grund, warum wir eine “eierlegende Wollmilchsau” haben wollten, die wir jetzt sicher mit SpeedAdmin haben.

Nochmal zur Digitalisierung: Ihr managt Eure Kundendaten, Onboarding, die Kommunikation, die Buchhaltung, Trouble Shooting und vieles mehr mit digitalen Tools. Welchen Rat gibst Du anderen mit, die sich optimieren wollen, z. B. mit digitalen Tools?

Wie schon gesagt: Wichtig ist, dass man die Bedürfnisse seines Unternehmens genau definiert, eine umfassende Evaluation möglicher Lösung vornimmt und sich dann dauerhaft für möglichst wenige Tools entscheidet, die man möglichst gut versteht und für die man die internen Workflows genau definiert. Damit diese Vorarbeit möglichst optimal in die Praxis gehen kann, müssen die Tools für einen möglichst langen Zeitraum ausgelegt sein.

„So wenig wie nötig, so durchdringend verstanden wie möglich.“

Was sind Deine nächsten Schritte? Was möchtest Du umsetzen?

Wir sind jetzt in der Situation, dass wir unsere Prozesse skalieren müssen. Dazu gehört einerseits Hardware und die Bewältigung der damit verbundenen Kosten und der Logistik. Viel wichtiger sind jedoch die Menschen! Die Lehrkräfte, die Nutzenden, die Schüler:innen müssen mitgenommen werden und dafür bauen wir jetzt die Strukturen auf. Zentrale Bestandteile sind dabei wieder direkte Schulungen, indirekte Hilfestellungen und Ansprechpartner:innen, die sofort helfen können. Ich bin sicher, dass der Konversionsprozess so gelingen kann!

Vielen Dank Fridolin für Deine Zeit und den Einblick in die kultur.schule! Ich wünsche Dir für alle weiteren Schritte und Neuerungen viel Erfolg!

 


 

Erfolgreiche Praxisbeispiele für Digitalisierung sind für kleine und mittelständische Unternehmen in der Region Mecklenburgische Seenplatte Inspiration und Motivation. Diese Best Practice sichtbar zu machen und zu vernetzen, gehört zu unseren Aufgaben.

Besonders in den ländlichen Räumen ist Digitalisierung ein wichtiges Werkzeug, um den Herausforderungen der Region zu begegnen. Das Digitale Innovationszentrum Neubrandenburg ist Ansprechpartner und Unterstützer und bietet Gespräche, Impulse, Workshops und Netzwerk an.

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